»Wir sind die 0,9 Prozent!«

Blogbeitrag von tefkabh auf https://tefkabh.blackblogs.org/ über den Anti-Heimatabend im Kafe Marat, München am 13. April 2019.

Der Saal ist gut gefüllt. Eine Kompilation gar erschröcklicher Musik, deren sämtliche Stücke nur eines gemein haben, nämlich das Topos „Heimat“, dröhnt aus den Lautsprechern. Neben mir sitzt ein sympathischer Typ vom Baierischen Rundfunk mit einem Mikrofon in der Hand. Ich habe das Buch von Thomas Ebermann, Linke Heimatliebe – Eine Entwurzelung, gelesen und entsprechend hoch sind die Erwartungen.

Dann – Lichter an! – es geht los. In einem dreistündigen Vortrag, unterbrochen nur von einer viertelstündigen Pause, fassen Thomas Ebermann und Thorsten Mense nicht nur den Inhalt ihres Buches gekommt und in anschaulicher, unterhaltsamer Manier zusammen, sondern liefern auch zahllose konkrete Beispiele für einen gesellschaftlichen Rechtsruck, und weshalb eine Fokussierung auf die „Heimat“ gefährlicher ist, als sie scheinen mag.

Der Vortrag ist gespickt von theaterhaften Einlagen, die ihn etwas auflockern und die drei Stunden um ein vielfaches kürzer erscheinen lassen, als sie tatsächlich sind. Mancher würde den beiden Kritikern mangelnden Ernst vorwerfen, aber das ist keineswegs der Fall – durch diesen Kunstgriff gelingt es ihnen, das Publikum nur noch mehr zu fesseln und der Langeweile, die sich normalerweise bei jedem Vortrag spätestens nach der ersten Stunde einschleicht, gekonnt Paroli zu bieten.

Ein Beispiel: Ebermann zitiert eine Studie, derzufolge 3,6 Prozent der Befragten dagegen sind, gesellschaftliche Außenseiter und Unruhestifter härter zu sanktionieren

Mense: „Und jetzt nehmen wir an, jeder vierte davon ist tatsächlich ein Unruhestifter. Das wären dann 0,9 Prozent.“
Ebermann: „Na, das ist doch mal ein Schlachtruf: ‚Wir sind die Nullkommaneun Prozent!‘.“
Mense: „Dann müssen wir noch berücksichtigen, daß da auch ein paar Idioten darunter sind…“
Ebermann: „Ach komm, hör auf, mir meine Illusionen kaputt zu machen!“
Sie bilden ein hervorragendes Team: der eine abgekärt, mit einer tiefen, vom Rauchen arg angegriffenen Stimme, der andere spöttisch und stimmgewaltig.

Noch während des Vortrages habe ich lange konkrete Ansätze vermißt, wie man gegen diese Allgegenwart der ‚Heimat‘ denn vorgehen könnte, bis es mir schließlich dämmerte, ohne daß einer der beiden es richtig ausgesprochen hätte: Man kann nicht dagegen kämpfen, wie gegen einen Stiefelnazi, der das Döner-Stammlokal überfällt. Man kann nur den Begriff vermeiden. Dagegen zu argumentieren ist leider in den meisten Fällen ebenso sinnlos wie gefährlich, was bleibt, ist das meiden.

„Links ist, wo keine Heimat ist.“, zitierten sie. Demnach sind die Linken eine aussterbende Art, denn von den 0,9 Prozent machen die Antideutschen sicherlich nochmal nur einen Bruchteil aus.

Drum ist’s nur gut, daß wir zwei so talentierte Missionare für unsere finstere Religion der linken Heimatlosigkeit haben, die weiter die Parole verbreiten: Gegen die Heimat!